Ob von einem Aufsichtsratsmitglied erstellte Rechtsgutachten zulasten eines Gesellschafters einen wichtigen Grund für die Abberufung dieses Aufsichtsratsmitglieds darstellen, beantwortete kürzlich der Oberste Gerichtshof (OGH). Denn nach § 30b Abs 5 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) kann das Gericht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Aufsichtsratmitglied auf Antrag einer Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Stammkapitals erreichen, abberufen.
Im Ausgangsfall gab es Meinungsverschiedenheiten zwischen der Minderheitsgesellschafterin einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) einerseits, und der Mehrheitsgesellschafterin und dem im Aufsichtsrat der GmbH sitzenden Rechtsprofessor andererseits. Denn dieser Professor hatte zu einem speziellen Streitpunkt im Auftrag der Mehrheitsgesellschafterin mehrere Rechtsgutachten zulasten der Minderheitsgesellschafterin verfasst, obwohl er bereits zum Aufsichtsrat bestellt war: Die Minderheitsgesellschafterin sah darin eine Interessenkollision.
Der OGH stellte zunächst fest, dass der wichtige Grund für die Abberufung so beschaffen sein muss, dass die Aufrechterhaltung der Aufsichtsratsmitgliedschaft für die Gesellschaft unzumutbar wäre, wofür sich das betreffende Aufsichtsratsmitglied objektiv so pflichtwidrig und gesellschaftsschädigend verhalten haben muss, dass die Fortsetzung seiner Tätigkeit für die Gesellschaft unzumutbar wäre.
Nach Ansicht des OGH hatte die Minderheitsgesellschafterin nicht ausreichend dargelegt, inwiefern eine die Interessen der Gesellschaft gefährdende Situation durch das Gutachten entstanden sein solle: Die Erstellung des Gutachtens durch den Professor stellte zwar eine organfremde Tätigkeit dar, wobei er nicht aktiv gegen die Interessen der Gesellschaft handeln durfte; er musste allerdings die Verfolgung eigener Interessen nicht schon deshalb unterlassen, weil sich dies für das Unternehmen nachteilig auswirken könnte. Der Professor habe außerdem rechtzeitig alle Umstände dargelegt, die eine Besorgnis einer Befangenheit begründen könnten. Da die betreffenden Gutachten alles in allem zwar nicht im Sinne der Minderheitsgesellschafterin erstattet worden seien, aber genauso wenig gegen sie, und auch von keiner Untragbarkeit des Professors für die Gesellschaft gesprochen werden konnte, lagen die Voraussetzungen für seine Abberufung nicht vor.