Heute vor 20 Jahren wurde unser Partner Dr. Martin Geiger als Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer Wien eingetragen. Aus diesem Anlass hat er uns einen persönlichen Einblick in zwei Jahrzehnte Tätigkeit als Wirtschaftsanwalt gegeben.
Lesen Sie selbst, was ihm am Rechtsanwaltsberuf gefällt, worin er die wichtigste Voraussetzung eines Anwaltes sieht, was er abseits der Arbeit gerne macht und wie sich das Arbeitsumfeld in den letzten 20 Jahren geändert hat.
Wie bist du zum Beruf des Rechtsanwalts gekommen und was gefällt dir daran besonders?
Ich sehe es als Privileg an, in meinem Traumberuf zu arbeiten. Denn dass ich unbedingt Anwalt werden wollte, wusste ich bereits mit 14 Jahren. Damals mussten wir in der Schule über unseren Berufswunsch schreiben und ich schrieb bereits damals: „Ich werde Rechtsanwalt“. Die Gründe, die mir damals den Anwaltsberuf attraktiv erscheinen ließen, treffen interessanter Weise auch heute noch zu:
Eine Begabung für Sprachen hatte ich glücklicher Weise schon immer. Ich liebe es, mit Sprache zu spielen und zu arbeiten, treffende Argumente zu formulieren, Diskurse zu führen … und zu gewinnen. In anderen Ländern, insbesondere dem angloamerikanischen Kulturkreis, wird diese Fertigkeit des Diskutierens und Argumentierens übrigens bereits in der Schule gelehrt. Bei uns wird man darin leider nicht einmal in der Ausbildung zum Rechtsanwalt geschult.
Mit Worten für Klienten zu kämpfen ist für mich nicht nur Beruf, sondern meine Leidenschaft. Meine Hauptaufgabe als Anwalt sehe ich darin, den Standpunkt und die Interessen der Klienten bestmöglich mit den richtigen Worten und Argumenten durchzusetzen und zu gewinnen. Der Standpunkt muss dabei nicht unbedingt mein eigener sein. Ob es nun ein Vertrag ist, den ich durch geeignete Formulierung bestmöglich für meinen Klienten gestalte, oder ob ich vor einem Gericht oder Schiedsgericht die Sache meiner Klienten vertrete.
Welche Voraussetzungen – neben der Sprachbegabung – siehst du für den Beruf des Rechtsanwaltes?
Ein Anwalt sollte gerne diskutieren. Jemand, der den verbalen Konflikt scheut bzw Angst davor hat, mit Argumenten zu kämpfen, ist für den Anwaltsberuf meines Erachtens nicht geeignet.
Man sollte auch die Fähigkeit besitzen zu abstrahieren, das heißt insbesondere fremde Standpunkte zu vertreten, ohne emotional involviert zu sein. Gerade diese Fähigkeit der nüchternen Betrachtung einer Angelegenheit ist sehr wichtig. Der Klient, als persönlich Betroffener, braucht neben sich einen unabhängigen Vertreter, der den Kern des Problems erfasst und durchsetzt, ohne sich durch Emotionen beirren und verwirren zu lassen.
Ein Anwalt ist also sozusagen ein „moderner Ritter“ und sein „Schwert sind die Worte“, mit denen er den Interessen seines Klienten zum Erfolg verhilft.
Wie verbringst du gerne deine freie Zeit, hast du besondere Hobbies?
Eines meiner längsten und liebsten Hobbies ist das Segeln. Ich kam mit 16 Jahren in den Salzburger Landes-Segel Kader und habe viele Segel-Regatten in Österreich und im Ausland bestritten und viele auch gewonnen. So war ich zum Beispiel im Jahr 1990 Gewinner der Österreichischen Bestenliste in der olympischen Bootsklasse Laser Radial und 2007 im Siegerteam des Yacht Race Round Antigua in der Charterklasse.
Heute nehme ich zwar nicht mehr an Wettbewerben teil, aber meine Leidenschaft fürs Wasser ist ungebrochen. Zusätzlich zum Segeln habe ich vor langer Zeit meinen Tauchschein und vor einiger Zeit auch zusätzlich Motorbootscheine für Binnen- und Küstenfahrt gemacht. Neben dem Segeln auf dem Neusiedlersee, im Salzkammergut oder am Meer fahre ich mit meiner Familie oder Freunden sehr gerne Motorboot auf der Donau oder an Küsten, insbesondere des Mittelmeers, was uns allen viel Spaß macht.
Du bist nun seit 20 Jahren als Rechtsanwalt eingetragen. Wie hat sich deine Tätigkeit in dieser Zeit verändert?
Ich habe im Jahr 1999, also während eines Wirtschaftsbooms, als Konzipient zu arbeiten begonnen. Bis 2006 ging es dann gefühlt mit der Wirtschaft (bis auf die Dot.com Krise) nur aufwärts. Wir haben eine Transaktion nach der anderen betreut. Damals habe ich fast ausschließlich Vertragsrecht gemacht, vor Gericht war ich – wie viele Kollege aus der Wirtschaftsanwaltei – nur ganz selten tätig.
Auf die Finanzkrise folgte nach 2008 meiner Wahrnehmung nach eine kurze Schockstarre am ganzen Markt und ab 2009 hat sich dann auch in Österreich eine Streitkultur entwickelt, die es vorher in diesem Umfang und in dieser Qualität nicht gab. Es wurde plötzlich in jedweder Konstellation gestritten: Unternehmen gegen Management, Management gegen Unternehmen, Gesellschafter untereinander, Lieferantenprozesse, Anlegerprozesse und so weiter. In den Jahren davor hatte man kaum Wirtschaftsanwälte als Vertreter vor Gericht gesehen. Das galt bis dahin in gewisser Weise manchen sogar als „unfein“. Seit dieser Zeitenwende vertreten auch Wirtschaftsanwälte und somit auch ich häufig in Gerichts- und Schiedsverfahren.
Meine persönliche Erfahrung ist also, dass in wirtschaftlich guten Phasen das Vertragsrecht im Vordergrund steht. Auf wirtschaftlich schlechte Phasen folgt dagegen – mit einer gewissen Verzögerung – ein erhöhtes Streitaufkommen. Das habe ich in dieser Form in meiner Karriere bereits sehr stark zwei Mal so erlebt: 2008 die Finanzkrise und 2020 Corona – diese Krisen lösten eine Phase erhöhter Klagebereitschaft aus. Und entsprechend verlagert sich dann auch mein Tätigkeitsgebiet zwischen Vertragsrecht und Streit- und Schiedsverfahren wie zwischen kommunizierenden Gefäßen hin- und her.
Was sich generell geändert hat, ist die Art der Kommunikation. Der Umgang zwischen Klienten und Rechtsanwalt erfolgt mehr auf Augenhöhe als früher. Die Klienten haben genauere Vorstellungen von dem, was sie mit der Unterstützung des Anwalts erreichen wollen. Und natürlich ist auch alles ein wenig schneller geworden, seit wir hauptsächlich per E-Mail und mit Smartphones miteinander kommunizieren.