Bewertungsportale wie yelp, docfinder oder Google Bewertungen haben mittlerweile eine herausragende Bedeutung im Geschäftsverkehr erlangt. Nicht selten gefährden schlechte Bewertungen die Existenz ganzer Betriebe. Die Sorge vor missbräuchlichen, gefälschten Schlechtbewertungen ist umso größer. Vielen ist es lieber, überhaupt nicht erst in einer Bewertungsplattform aufzutauchen.
In zwei aktuellen Fällen hat der OGH zugunsten der Bewertungsplattformen entschieden. In der Lernsieg-Entscheidung (6 Ob 129/21w) legte er die Grundsätze fest, nach denen er die Zulässigkeit von Bewertungsplattformen prüft. Daran hält er sich auch in der Entscheidung 6 Ob 198/21t:
Sachverhalt
Eine Wiener Augenärztin und die Wiener Ärztekammer klagten eine Ärztebewertungsplattform, auf der verschiedenste Ärzte gesucht und bewertet werden können. Die Daten der Ärzte werden dabei ohne deren Zustimmung aus einem öffentlichen Verzeichnis entnommen. Die Ärztin verlangte insbesondere die Löschung ihrer personenbezogenen Daten und der damit verknüpften Bewertungen. Ärzte können gegen Bezahlung ihr Profil aufwerten und etwa Fotos oder detaillierte Beschreibungen hochladen.
Entscheidungsgründe des OGH
Der OGH prüft die Zulässigkeit der Bewertungsplattform (genauer gesagt, die Zulässigkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der bewerteten Personen) nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO. Dafür müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss ein berechtigtes Interesse des Plattformbetreibers oder Dritter (der Öffentlichkeit oder der Nutzer) bestehen
- Die Datenverarbeitung muss erforderlich sein, um dieses Interesse zu erreichen
- Umfassende Interessensabwägung zwischen Grundrechten und Interessen der bewerteten Personen und der Plattform (bzw. der Öffentlichkeit oder der Nutzer)
Hinweis: Die hier behandelte Entscheidung betrifft ausschließlich natürliche Personen, da die DSGVO nur natürliche Personen schützt.
Berechtigtes Interesse
Bewertungsplattformen fallen häufig in den Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRK, Art 11 GRC), denn sie bieten der Öffentlichkeit einen geordneten Überblick darüber, wer wo welche ärztlichen Leistungen anbietet (6 Ob 198/21t). Vor allem bieten sie den Nutzern die Möglichkeit, ihre Meinung abzugeben und zu verbreiten. In der Lernsieg-Entscheidung betont der OGH zudem, dass es nicht darauf ankommt, ob die Nutzer auf Grundlage der Bewertungen eine Auswahl treffen können (Schüler können sich zB ihre Lehrer nicht aussuchen). Vielmehr erfüllt bereits das Abgeben und in Erfahrung bringen von subjektiver Kritik an handelnden Personen einen gesellschaftlich erwünschten Zweck.
Erforderlichkeit
Die Aufnahme von personenbezogenen Daten, die eine hinreichende Identifizierbarkeit der bewerteten Person ermöglicht, ist die Voraussetzung dafür, dass Bewertungsplattformen sinnvoll betrieben werden können. Name, berufsbezogene Informationen und Bewertungen gehen dabei nicht über das unbedingt erforderliche Ausmaß hinaus.
Interessensabwägung
Grundsätzlich ist die berufliche Sphäre weniger geschützt als der höchstpersönliche Lebensbereich. In diesem Bereich müssen sich Betroffene auf Kritik an ihren Leistungen einstellen und schlechte Bewertungen bis zu einem gewissen Grad hinnehmen.
Einen großen Stellenwert nehmen dabei die von der Plattform getroffenen Maßnahmen gegen Missbrauch ein. Denn an Beleidigungen, unwahren rufschädigenden Behauptungen und Wertungsexzessen besteht kein von der Meinungsäußerungsfreiheit gedecktes Interesse. Besonders besteht die Gefahr bei anonymer Registrierung der Nutzer, dass sie Bewertungen abgeben, obwohl sie etwa bei der betroffenen Ärztin nie in Behandlung waren. Dafür haben Plattformen meist eine Beschwerdemöglichkeit eingeführt, mit der falsche Behauptungen gelöscht werden können. Dabei erforderte die Ärzte-Plattform vom Nutzer etwa einen Nachweis, dass er tatsächlich beim bewerteten Arzt in Behandlung war.
Entscheidend ist zudem auch, welche Vorteile zahlende gegenüber nichtzahlenden Ärzten die Plattform bietet.
Neuerungen durch das MoRUG II
Mit dem Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz II wurde das Problem gefälschter Bewertungen nun auch vom Gesetzgeber erkannt. So enthält § 2 UWG (irreführende Geschäftspraktiken) nun zwei neue Bestimmungen:
- So ist es eine irreführende Geschäftspraxis, wenn ein Unternehmer keine Informationen darüber zugänglich macht, ob und wie er sicherstellt, dass die veröffentlichten Bewertungen von Verbrauchern stammen, die die veröffentlichten Produkte auch tatsächlich verwendet oder erworben haben (§ 2 Abs 6b UWG). Eine Verpflichtung, Bewertungen zu prüfen, ergibt sich daraus aber nicht.
- Außerdem muss darüber informiert werden, nach welchen Kriterien Suchergebnisse gerankt werden (§ 2 Abs 6a UWG). Dies gilt unabhängig davon, wo Rechtsgeschäfte letztendlich abgeschlossen werden.
Fazit
Die Hürden, um gegen die unerwünschte Aufnahme in ein Bewertungsportal vorzugehen, sind hoch. Dabei gilt: je weniger die Plattform gegen missbräuchliche Bewertungen unternimmt und je mehr Vorteile sie zahlenden Bewerteten bietet, desto eher kann ein gerichtliches Vorgehen erfolgreich sein.